Welche Schrift für einen selbst wählen, wenn man der größte Schriftanbieter der Welt ist?
Der neue Markenauftritt von Monotype muss gleichermaßen konsistent und überzeugend sein, so wie wir das für unsere Kunden anstreben. Nur wo geht die Reise hin, wenn man als Schriftenhaus Zehntausende von Fonts zur Auswahl hat, um diverse Produkte und Dienstleistungen unter einen Hut zu bringen?
Die Wahl einer neuen Unternehmensschrift ist keine leichte Entscheidung, doch wenn man selbst ein Schrifthersteller ist, nimmt das Thema eine ganz andere Dimension an. Und es ist eine umso größere Herausforderung, wenn man – wie Monotype – eine wachsende Familie von Produkten und Dienstleistungen sowie eine Vielzahl von Kundenkreisen, Plattformen und Technologien bedient. In den letzten zehn Jahren haben das Wachstum und die Expansion des Unternehmens in neue Märkte das bestehende Schriftsystem an seine Grenzen gebracht, so dass es nicht mehr den Bedürfnissen einer Marke dieser Größe entsprach. Hinzu kam eine Reihe von Produkten mit eigener Identität und eigenen Werten, die ebenfalls zu Irritationen in der Wahrnehmung beitrugen.
Der Senior Director of Creative James Fooks-Bale beschreibt es so: „Wir waren auf ganzer Breite präsent, lieferten aber nicht wirklich das, was wir für von unseren eigenen Kunden fordern: Konsistenz und Markenintegrität. Eigentlich müssen wir mehr leisten, als unsere Kunden. Wir sollten mit gutem Beispiel vorangehen.“
James Fooks-Bale, Senior Director of Creative bei Monotype.
Die Statistiken bestätigen die Position von Fooks-Bale, denn 23 % des Umsatzwachstums sind auf Markenkonsistenz* zurückzuführen und 64 % der Verbraucher empfehlen eine Marke eher, wenn deren visueller Auftritt klar und unverwechselbar ist.**
Dem bisherige Branding von Monotype haftete im Laufe der Zeit der Ruf an, traditionell, konzernartig und kompliziert zu sein, anstatt das Engagement des Unternehmens für Innovation und Kompetenz zum Ausdruck zu bringen. Eine Auffrischung der Marke sollte sowohl den falschen Eindruck beseitigen, als auch eine Liste interner kreativer Wünsche erfüllen.
Die neue Hausschrift sollte eine bessere Lesbarkeit und Leserlichkeit mitbringen, einen hohe Wiedererkennung und optimale Benutzerfreundlichkeit auf allen Ebenen sicherstellen. Sie musste alle Textgrößen bestens darstellen – von der Mikrotypografie in UI-Umgebungen bis hin zu riesigen Lettern bei Events und auf Plakaten. Schließlich sollte sie Kunden in aller Welt gefallen und dies in einer selbstbewussten Art und Weise, unabhängig von Sprache oder Branche.
„Wir mussten zur Galerie werden“, erklärt Fooks-Bale. „Wir sind nicht das Kunstwerk. Also: einen Schritt zurücktreten, mit leiserer Stimme sprechen und das Produkt, die Kampagne, die Schrift, unsere Library und unsere Expertise in diesem Rahmen aufblühen lassen. Unser Branding darf nicht lauter ,sprechen‘ als die Schrift, die unser Kunde gerade zu finden versucht.“
Die Antwort auf all diese Anforderungen lag irgendwie auf der Hand.
Monotypes Type Director Charles Nix beschreibt es so: „Wenn man der größte Schrifthersteller seit Gutenberg ist und nicht ganz zufällig auch das Unternehmen, das Helvetica erschaffen hat, eine Schrift, die durch ihre Klarheit, Einfachheit und Neutralität weltbekannt wurde … wie könnte man dann etwas anders als Helvetica Now für die eigene visuelle Stimme wählen? Diese Wahl ist geradezu schmerzhaft offensichtlich, denn die Schrift ist wie gemacht dafür, das Kernangebot von Monotype, das gigantische Schriftangebot, in den Mittelpunkt zu stellen.“
Monotype veröffentlichte Helvetica Now im April 2019 als neues Kapitel in der Geschichte der bekanntesten Schrift der Welt. Jeder Buchstabe wurde neu gezeichnet und neu digitalisiert, wobei alle Charakteristika, die des Original so erfolgreich machten, erhalten blieben und nur behutsam an die Anforderungen der digitalen Typografie angepasst wurden.
Charles Nix, Type Director bei Monotype.
„Rund drei Jahre, Tausende von Stunden und über 20 Kolleginnen und Kollegen vom Monotype Studio bedurfte es, um das Pflichtenheft, das Design, die Produktion und die Vermarktung der ersten Version von Helvetica Now auf die Schienen zu bringen“ erinnert sich Deb Gonet, Vice President of Type bei Monotype. „Es war – und ist weiterhin – eine Teamleistung unseres Studios. Bei einem solchen Projekt müssen Projektmanager, Schriftentwerfer, Font-Ingenieure und die Qualitätskontrolle an einem Strang ziehen. Mit unseren 13 Büros rund um den Erdball sind wir in der Lage, das lokale Wissen und die Expertise des Teams zu vernetzen.“
„Helvetica Now“ ist die Basis für die neue Hausschrift von Monotype – eine individuell für die Unternehmensbelange angepasste Familie mit dem Namen „Helvetica Now MT“. Doch vor dieser Entscheidung machte das Kreativteam die klassischen Hausaufgaben. Man baute eine Matrix, mit deren Hilfe Dutzende verschiedener Schriftarten anhand von Schlüsselparametern wie Lesbarkeit oder Zeichenvorrat bewertet wurden. Anschließend wurden ausgewählte Schriften in den wichtigsten Benutzeroberflächen, mit denen Kunden in Kontakt kommen, getestet: in großen und kleinen Größen, im Zusammenspiel mit grafischen Elementen und vieles mehr.
„Als Produktdesigner unserer Lösung Monotype Fonts bin ich mir der Verantwortung bewusst, als Kurator einer Fontgalerie zu agieren“, erläutert Jamie Neely, Direktor der Produktentwicklung. „Beim Einsatz unserer Hausschrift in der Benutzeroberfläche sind wir stets auf der Suche nach der richtigen ,Lautstärke‘. Zum Glück hat Helvetica Now die wunderbare Eigenschaft, in den Hintergrund zu treten, wenn es um die Entdeckung der anderen Schriften geht.“
Während an der Wahl von Helvetica Now kein Zweifel mehr bestand, erwies sich das Design von „Helvetica Now MT“ schwieriger als erwartet. Rein rechnerisch ging es um 256 mögliche Varianten, die in Diensten wie Olapic und Monotype Fonts perfekt funktionieren müssen. In der späteren Entwicklungsphase wurden verschiedene Design-Optionen durchgetestet, um sicherzustellen, dass die finalen Schnitte den Anforderungen der Produkt-, UX-, Marken-, Marketing- und Entwicklungsteams im gesamten Unternehmen gerecht werden. Parallel dazu war eine enge Zusammenarbeit mit den Monotype-Designern auf allen Erdteilen erforderlich, damit Sprachräume wie traditionelles Chinesisch oder Japanisch perfekt unterstützt werden.
Ende 2018 begannen Teams in mehreren Niederlassungen und Ländern mit der Neugestaltung und dem Umbau der Website und kommerzieller Produkte, wobei sie sowohl seit Jahren bestehende Probleme ausbügelten und neue Anforderungen einbauten.
„Konsistenz ist der Schlüssel zum Aufbau von Kundenvertrauen“, sagt Lauren Moore, Director of User Experience bei Monotype. „Die Liebe zum Detail und eine einheitliche Benutzerführung geben den Kunden die Gewissheit, dass man sie ernst nimmt und ihre Bedürfnisse an erster Stelle stehen.“
James Fooks-Bale, Senior Director of Creative bei Monotype.
Helvetica Now MT erlaubte es Monotype sowohl typografische Probleme zu lösen, als auch die visuelle Identität auf ein Minimum zu reduzieren. Dank ihrer legendären Neutralität lässt die Schrift das Unternehmen über alles Wesentliche klar und verständlich sprechen – vom Marketing bis zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Das heißt aber nicht, dass sich keinen Raum für individuellen Ausdruck bietet. Durch die Übernahme einiger Helvetica-Now-Alternativzeichen als Standard, zum Beispiel des einstöckigen a oder des l mit Fuß, federte das Kreativteam den sachlichen Ansatz von Helvetica sanft ab. Der quadratische Punkt wurde zum Schlüsselelement und steht für das neue, geradlinigere Image von Monotype. „Alles musste eine gewisse Klarheit und Ehrlichkeit in sich tragen, von der Art wie und was wir schreiben bis hin zum Design.“, so Fooks-Bale.
„Es war faszinierend, mit den drei optischen Größen zu spielen, die Helvetica Now anbietet“, ergänzt Neely. „Die Schnitte Micro, Text und Display kommen alle zum Einsatz und helfen dabei, die natürlichen semantischen Unterschiede zwischen einer großem, emotionalen Headline und klein gesetzten Metadaten auszuspielen.“
Bei manchen im Team habe der Wechsel zu Helvetica Now MT überraschende Wirkung gezeigt. So habe der extrafette Schnitt für die großen Headlines manchen Texter dazu veranlasst, seine Worte noch mal zu schärfen: weniger Worte, größere Wirkung. Die Senior-Designerin Nicola Jones konnte sich nicht erinnern, jemals eine Website mit Helvetica gebaut zu haben, aber die Arbeit mit Helvetica Now MT hätten ihr jede Menge „kleinerer Überraschungen und Glücksmomente“ beschert.
„Als Designer empfindet man es schnell als restriktiv oder wenig inspirierend, nur eine Schrift als Tool für eine Marke verwenden zu dürfen“, ergänzt sie. „Aber als mir klar wurde, dass ich mit einer gut gestalteten und im Falle von Helvetica Now MT vorzüglich kuratierten Schrift arbeite, gab mir das mehr Freiheit, mit Farbe und Layout zu experimentieren, weil stets klar war, dass die Schrift das Rückgrat des Ganzen ist.“
Gerade weil viele behaupten, dass Helvetica die naheliegendste Wahl sei, ist es genau dieser Umstand, der die Entscheidung als richtig kennzeichnet. „Typografie ist eine Kunst, die alle anderen Künste behütet. Und Helvetica ist die größte Schrift aller Zeiten.“ wirft Charles Nix ein. „Sie steht für Klarheit, Einfachheit und Neutralität, was sie zur perfekten Vorlage für ein Unternehmen macht, das Schriften anbietet. Und sie gehört uns.“
Fußnoten.
* “The Impact of Brand Consistency”, Lucid Press.
** Seigel+Gale, Brand Simplicity Index.